„Alles Leid der Welt wird klein vor Gottes Zukunft“

Predigt und Friedensgebet zum Volkstrauertag von Prädikantin Angelika Remmers

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wie jedes Jahr kommen wir auch heute zum Volkstrauertrag zusammen und wollen gemeinsam an das Leid in der Welt denken. Wir suchen nach Frieden und Gedenken der Opfer der Kriege und dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Und doch ist unsere Feier zum Volkstrauertag in diesem Jahr anders als in den vergangenen Jahren. Wir können nicht zusammen zum Ehren- und Mahnmal gehen und unsere kränze dort ablegen und beten, weil Corona enges Beisammensein verbietet.
So haben wir den Gottesdienstbesuchern ein Poster mit den Steinen des Ehren- und Mahnmales auf die Plätze gelegt und sie halten einen kleinen bemalten Stein in der Hand, auf dem das kreuz des Ehren- und Mahnmals zu sehen ist. Herr Kornelius hat für die Kranzablage am großen Ehrenmalkreuz symbolisch ein Gesteck am kleinen stellvertretenden Kreuz hier in der Kirche abgelegt. Damit findet der Gottesdienst zum Volkstrauertag nur in der Kirche statt.
Mit dem Poster erinnern wir uns an das Leid in der Welt und sehen den ersten Stein: Das 5 m hohe Granitkreuz mit der Aufschrift „Alles Leid der Welt wird klein vor Gottes Zukunft“.
Für mich bedeutet diese Aufschrift, dass auch wenn ich im Moment mein Leid nicht übersehen kann und nicht verstehe, warum Gott mir soviel Schmerz zufügen kann, es am Ende eine gute Zukunft für mich geben wird.
Neben der Grabplatte des 1. Weltkrieges stehen auf den Gedenksteinen die Namen von großen Schlachtfeldern, auf denen über 9 Million Soldaten starben.
Auch gut 31 Wahlstedter haben ihr Leben im 1. Weltkrieg verloren. Bei einer kleinen Dorfbevölkerung eine Katastrophe.

Der 2. Weltkrieg, die untere Reihe zeigt hier die Gedenksteine der Schlachtfelder, wurden insgesamt über 70 Millionen Menschen auf der Welt getötet. In der Wahlstedter Chronik stehen die Namen von 200 Männern und 6 Frauen, die im 2. Weltkrieg verschollen, vermisst und in der Kriegsgefangenschaft und an der Front gestorben sind.

Vom 2. Weltkrieg haben wir älteren vom Vater oder Großvater etwas gehört von Hunger und Kälte, Angst. Erfrierungen und menschlichen Verlusten, die Facetten eines Krieges.
Stumme Kriegszeugen wie Bunkeranlagen, Ehrenfriedhöfe, Gedenkstätten und Gedenksteine sind überall in Europa an den Orten zu finden, an denen die Kriege stattfanden.
In Schleswig-Holstein gibt es 50 Erinnerungsorte, an denen über die Vernichtung, Zwangsarbeit unmenschlichem Handeln dokumentiert wird.
Aber auch von kleinen menschlichen Momenten wird berichtet, einem Weihnachten, bei dem die Waffen schwiegen und ein Theologe und Mediziner die Soldaten Heiligabend mit dem gezeichneten Bild der Stalingrad-Madonna überraschten.
Bekannt ist auch das Versöhnungsgebet von Coventry, „Vater vergib“, dass wir später noch hören werden.

Die Initiative für Frieden und Abrüstung hatte sich Anfang der 80er Jahre gegründet unter der Führung von Rektor Horst Meyer-Jungclaussen und Pastor Einfeldt. Sie trat ein gegen die atomare Aufrüstung und um zu mahnen, dass nie wieder Krieg sein darf. 1983 haben sie den Friedensstein am Ende der Wittenborner Straße aufgestellt.

1983 wurde auch das Lied geschrieben
„Gib Frieden, Herr, gib Frieden“,
von dem wir die Melodie vor und nach der Predigt hören.
In einer Liedstrophe heißt es:
430:2 Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr. Es wird so viel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr. Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein. Hilf, wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.

Die Friedensgruppe hatte sich zur Aufgabe gemacht, an das Leid zu erinnern, dass außerhalb von den Schlachtfeldern im 2. Weltkrieg und auch danach passierte, menschenverachtendes Handeln und Unmenschlichkeit. Es wurde auch außerhalb der Kriegsschauplätze so viel gelitten, darauf wollte die Gruppe aufmerksam machen.

Bei den vier 1986 neu aufgestellten Steinen sehen Sie: am unteren Bildrand steht Frisches Haff für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Frühjahr 1945, der Stein Auschwitz erinnert an den Völkermord der Juden und die Vernichtung von Menschen, die nicht dem Idealbild der damaligen Ideologie entsprachen.
In Workuta mussten die Menschen in Zwangsarbeiterlagern unter schlimmsten Bedingungen in Bergwerken Rohstoffe abbauen und das Gefängnis Plötzensee war eine Hinrichtungsstätte für die Menschen, die Widerstand leisteten und auch für diejenigen, die am Attentat auf Adolf Hitler beteiligt waren.
Die Steine am Ehren- und Mahnmal wurden 1986 dreißig Jahre nach der Einweihung des Ehren- und Mahnmales aufgestellt und erinnern an eine Zeit, die sich nicht wiederholen darf!
Der letzte Stein in Wahlstedt wurde 1990 für die friedliche Revolution und den Mauerfall in der DDR 1989 aufgestellt und in diesem Jahr feiern wir gemeinsam 30 Jahre Wiedervereinigung.


Wenn ich heute für die vergangenen 30 Jahre Steine zur Mahnung und Erinnerung aufstellen sollte, welche Themen müssten die Steine haben?

Welche Steine würde ich aufstellen wollen, was ist gut gelaufen und was möchte ich anklagen in den vergangenen Jahren?

Was würden Sie sagen?


Für mich sind es die Steine als Mahnung gegen:
• Terror und Gewalt in Paris, Wien, München und an anderen Orten, bei dem unschuldige Menschen getötet wurden.
• Gegen den nie endenden Rassenhass
• Gegen die Spaltung der Gesellschaft gerade in der Zeit der Corona-Pandemie. Menschen, die bewusst andere Menschen in Gefahr bringen und sich nicht an mitmenschliche Regeln halten wie Rücksicht, Mitmenschlichkeit und Achtung für den Nächsten.


Aber es gibt auch Steine zur freudigen Erinnerung
• Junge Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen
• Erfolge in der Medizin
• 75 Jahre Frieden

Jeder von uns wünscht sich Frieden. In der Familie, mit den Nachbarn, in seiner Stadt und in der Welt.
Wir bitten Gott um Frieden, jeden Sonntag wieder mit dem Satz, der am Ende jeder Predigt steht. Er ist heute so wichtig wie gestern und morgen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

Versöhnungsgebet von Coventry „Vater vergib“
Bürgermeister Bonse und Angelika Remmers sprechen gemeinsam
Wir hören das Versöhnungsgebet "Vater vergib!"
Nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry (Großbritannien) am 14./15. November 1940 durch deutsche Bombenangriffe ließ der damalige Dompropst Richard Howard die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Diese Worte bestimmen das Versöhnungsgebet von Coventry,
das seit 1958 in der ganzen Welt gebetet wird:


Wir alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten. Darum lasst uns beten Vater vergib:

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist,
Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen,
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Vater, vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Vater, vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,
Vater, vergib
Gott, lehre uns, zu vergeben und uns vergeben zu lassen, dass wir miteinander und mit dir in Frieden leben.
Amen

Das Friedensgebet der Vereinten Nationen
Unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.
Unsere Aufgabe ist es, daraus einen Planeten zu machen,
dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,
nicht von Hunger und Furcht gequält,
nicht zerrissen in sinnloser Trennung nach Rasse,
Hautfarbe oder Weltanschauung.
Gib uns den Mut und die Voraussicht,
schon heute mit diesem Werk zu beginnen und nicht nachlassen in unseren Bemühungen,
auf dass unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz
den Namen „Mensch“ tragen. Amen