Wie geht Advent?

von Pastorin Dr. Anne Smets

Wie geht Advent?
Die Kinder in der Kita wissen das genau.
Zuerst basteln sie Adventsdeko.
Sterne aus Transparentpapier, Wichtel aus Filz und Watte, Engel mit Goldhaar,
und schmücken damit ihren Gruppenraum.
Ein Adventskalender wird aufgehängt,
jeden Tag darf ein anderes Kind eins der Säckchen öffnen.
Und dann backen sie Kekse, verziert mit bunten Streuseln, Zuckerperlen und Lebensmittelfarbe.
Alle helfen mit, zwischendurch wandert die eine oder andere Zuckerperle in den Mund,
macht nichts, hat keiner gesehen,
und hinterher kommen alle Kekse in eine große Blechdose und jedes Kind darf reihum hineingreifen.
Die Pastorin kommt zu Besuch,
singt „Alle Jahre wieder“ mit ihnen oder „In der Weihnachtsbäckerei“
und erzählt die Geschichte von Maria und Josef
auf ihrem langen Weg nach Bethlehem,
mit Bodenbild, die Kinder dürfen mitbauen und hinterher die Figuren dabehalten,
als Leihgabe bis zum nächsten Mal.
So geht Advent. Alle Jahre wieder.

In diesem Jahr beginnt mein Advent mit einem Fragezeichen.
So wie das alte Lied:

Wie soll ich dich empfangen
Und wie begegn' ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei.

Alle Jahre wieder funktioniert nicht mehr.
Klar, manches ist eingetütet,
also buchstäblich: in Tüten verpackt, Grüße für die Kinder zum Beispiel.
Manches ist ins Internet verlegt, es gibt ein paar Alternativpläne,
aber ob das klappt und noch erlaubt sein wird, weiß niemand so genau.
Der Blick in meinenTerminkalender zeigt:
Sonntagsgottesdienste und Zoom-Konferenzen. Verwaltung, Krisensitzungen. Sonst wenig.
Keine Seniorenweihnachtsfeiern, keine Andacht im Pflegeheim,
keine Weihnachtsgeschichte in der Kita, keine Krippenspielproben,
keine Weihnachtsfeiern mit den Gemeindegruppen,
kein lebendiger Adventskalender, kein gar nichts.
Stattdessen Fragezeichen.

Wie soll ich dich empfangen
Und wie begegn' ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei.

Was kommt nach dem Fragezeichen?
Ein leerer Raum. Ein Sehnsuchtsraum.
Auf der Suche nach Advent bin ich,
auf der Suche nach dem, der kommt,
der sich auf den Weg gemacht hat mit seinem Licht,
der die Finsternis hell macht
und auch in die dunkelsten Ecken hineinleuchtet.
Der die Welt zurechtrückt und uns ein Licht aufgehen lässt.
Mehr als Alle Jahre wieder.
Nach dem Fragezeichen kommt ein leerer Raum,
eine Lücke, ein freier Platz.
Im Terminkalender,
auf dem Stuhl mir gegenüber,
auf dem Beifahrersitz im Auto,
auf dem Sofa und im Herzen.
Freier Raum, der mich irritiert und manchmal auch schmerzt.
Dieser Advent wird anders, denn es ist Raum da.
Viel Platz für den, der kommen will.
Und dieser Raum ist genug.
Der Stall, die Krippe war ok für ihn,
und unser Herzraum ist es auch.
Egal in welchem Zustand und in welcher Verfassung der sich gerade befindet.
Und auch der Raum zwischen zwei Menschen,
1,50 Meter oder wie groß der Abstand im Moment auch sein mag,
er will dort einziehen.
Es wird Advent, es wird Weihnachten, so oder so.
Gott kommt. Das Licht dringt überallhin,
auch wenn wir als Kirche es in diesem Jahr
nicht zu jedem Menschen persönlich bringen können und dürfen:
Es kommt trotzdem. Gottes Licht leuchtet.
Es wird ein anderer Advent,
leiser, vorläufiger, abwartender, hörender.
Mehr als alle Jahre wieder.
Aber es wird Advent.

Zuallererst bei den Kindern in der Kita.
Adventsdeko ist da, Kerzenlicht ist da,
und die beste Geschichte von allen ist auch da:
Gott macht sich auf den Weg zu uns.
Mitten hinein in Lücken und leere Räume.
So geht Advent.
Und statt der Kekse gibt es in diesem Jahr einzeln verpackte Schokosterne.

Amen.